Politblog 2022 zum Lesen und Herunterladen

Weihnachtsshopping im «Disney-Mittelalter»
In einer Zeit, da in Deutschland irgendwelche durchgeknallte «Reichsbürger» dem Wiedererwachen des Kaiserreichs entgegenfiebern und (zum Glück erfolglos) die bewaffnete Erstürmung des Reichstagsgebäudes in Berlin planen, und gleichzeitig im schweizerischen Bundesrat die rechtsbürgerliche Alleinherrschaft - am Volk vorbei - eingeübt wird, da finden landauf landab immer wieder sogenannte «Mittelaltermärkte» statt, so auch in der Adventszeit hier in Stein am Rhein. Auf der einen Seite können solche Mittelalteranlässe als Ausdruck einer festlich nostalgischen Verklärung einer angeblich viel bunteren geheimnisvolleren Zeitepoche gesehen werden. Das «Mittelalter» kann so fernab von seinen brutalen Abgründen in einer bekömmlichen Disneyland-Variante konsumiert werden, sozusagen in einer BFU-zertifizierten «Mittelalter-light»-Version. Auf der anderen Seite kommen solche Veranstaltungen durchaus auch gewissen unterschwellig vorhandenen Wünschen nach vermeintlich einfachen und klaren Verhältnissen entgegen, in denen einem die Obrigkeit noch deutlich zu verstehen gibt «wo Gott hockt». Wie weit bei den Mittelalter-Retro-Events nur der folkloristische Disneyland-Aspekt im Spiel ist und wie weit auch eine untergründige Sehnsucht nach (zweifelhafter) hierarchischer «Geborgenheit» mitspielt, ist letztlich so wenig durchschaubar wie die legendären «Nebel von Avalon». Solche Nebel vermögen schliesslich auch all die grausigen Seiten des Mittelalters auszublenden: die brutale Unterdrückung und Ausbeutung der sklavenähnlichen Leibeigenen, die grausamen Strafen und Schauprozesse, die Folterungen, die Ketzer- und (etwas später) die Hexenverfolgungen, die Epidemien wie Pest und Cholera, die Judenpogrome und immer wieder die vielen brutalen Kriege. Neben all diesen Scheusslichkeiten müssen wir uns jedoch auch die Grossartigkeit des gotischen Kirchenbaus vergegenwärtigen, ebenso die kulturelle Brückenfunktion der mittelalterlichen Klöster, in welchen treu und fleissig auch diejenigen antiken Schriften abgeschrieben wurden, welche ganz und gar nicht in den kirchlichen Dogmenkodex hineinpassten. Auch mit den Namen Hildegard von Bingen und Meister Eckhart verbinden wir durchaus positive Seiten dieser ansonsten eher düsteren Zeitepoche. - Vor dem Hintergrund der kürzlich geplatzten Reichsbürger-Putschgelüste in Deutschland und angesichts der auch sonst (vor allem im Internet) weitverbreiteten «Wutbürger-Propaganda» gegen unsere demokratisch-rechtsstaatlichen Institutionen bereitet mir eine allzu weitgehende Retro-Sehnsucht nach «Mittelalter» eher mulmige Gefühle. Dies umso mehr als jene «Wutbürger», welche unsere (durchaus verbesserungsbedürftigen) demokratischen Strukturen schlechtreden, mehrheitlich wohl insgeheim einen «rettenden starken Mann» herbeisehnen, welcher dann am Tag X mit dem «grossen Aufräumen» beginnen soll. In diesem Sinne können wir noch einmal «froh» sein, dass unser Bundesrat «nur» von den Rechtsbürgerlichen und nicht von den «Reichsbürgerlichen» dominiert wird.
Ch.B. 23.12.2022

Volle Röstung
In einer Zeit, in der wir eigentlich jeden Tag einen tollkühnen Grund zum Feiern haben, dass die Welt noch nicht wegen unseres Raubbau-Verhaltens untergegangen ist, erscheint es gewiss nicht abwegig, sich auch mit der Frage herumzuschlagen, wie wir diesen Untergang gegebenenfalls auch aktiv noch etwas hinauszögern oder ihn unter Inkaufnahme diverser Lifestyle-Einbussen allenfalls sogar (bis auf weiteres) ganz abwenden könnten. In dieser geo- und klimapolitisch äusserst kritischen Weltsituation, in der sich europaweit Klimawissenschaftlerinnen mit Sekundenkleber an Autobahnen kleben, um die Öffentlichkeit gewissermassen in letzter Sekunde vom Klebenbleiben an den ressourcenverschlingenden Verhaltensmustern abzuhalten – in dieser dramatischen Situation ist die politische Schweiz von der scheinbar höchst undramatischen Frage absorbiert, welcher «Knuschti» oder welche «Knuschtina» von der grossen klimapolitischen Bremserpartei für den abgehenden «Bundesueli» nachrücken soll. In seiner überaus «gmögigen» Art hat sich der fossil allseits gut vernetzte «Albert Erdölgan Röschti» nach vorne «ge’ellböglet». Unvergessen ist da natürlich, wie er 2021 als damaliger Präsident der «Swissoil» an der gut geölten Desinformationskampagne zur Versenkung des CO2-Gesetzes mitgewirkt hat, in effizienter Koordination mit diversen anderen Lobbyorganisationen wie Autoschweiz (wo er inzwischen Präsident ist) und Hauseigentümerverband (Präsident derzeit noch «Iwan Egloff»). Matchentscheidend war damals die gezielt gestiftete Verwirrung über die energiesparende Einrichtung der Lenkungsabgabe und die Verhöhnung und öffentliche «Röstung» dieses Instrumentes. Gerade nach dem denkwürdigen Sommer 2022, in welchem Menschen und Natur in unerträglichem Ausmass von der knalligen Sonne «geröstet» wurden, müsste man nun eigentlich gegenüber einer Bundesratskandidatur von Albert Rösti, von dem sogar der Blick unlängst behauptet hat, er habe «Benzin im Blut», zumindest weitreichende Vorbehalte erwarten. Seine erfolgreiche – bisher vor allem klimaschädliche – Lobbytätigkeit hat ihm jedoch den bizarren Ruf eines derart wirkmächtigen Lobbyisten verschafft, dass manche bundesbernische Politiker (bis in den lifestylegrünen Bereich hinein) ihm die Fähigkeit zutrauen, er könne als künftiger Bundesrat sogar mit dem Klima höchstpersönlich noch die einen oder anderen Vorteile – wenigstens für die Schweiz – heraushandeln. Auch das ehrgeizigste Tiefbauprojekt der Schweiz, die Auffüllung des Röstigrabens (womöglich mit Bauschutt aus dem dereinstigen Grimseltunnel) traut man dem Albert Rösti aus naheliegenden Gründen am ehesten zu, wenn man auch zugeben muss, dass für ein solches Bauvorhaben, ausser für die Bauwirtschaft, keinerlei Dringlichkeit besteht. Wenn man sich sodann die kürzlich erfolgte gigantische Erhöhung der schweizerischen «Röstungsausgaben» vergegenwärtigt, liegt es nahe, hinter dieser plötzlichen unspezifizierten «Aufröstungsbereitschaft» nicht zuletzt auch den stillen Einfluss des «Röstungsexperten» aus Kandersteg zu vermuten. Obwohl vieles dagegenspricht, ist zu erwarten, dass sich die vereinigte Bundesversammlung einmal mehr für die «volle Röstung» entscheiden wird. Vielleicht wäre es anders, wenn die Bundesratswahl statt im Dezember in der drückenden Sommerhitze stattfände. So können wir nur noch in Anlehnung an den schönen Schweizerpsalm ausrufen: …Wenn der Alpen Firn sich röstet, wird Klimaschutz nochmals vertröstet … denn die fromme Seele ahnt, denn die fromme Seele ahnt, - ja was ahnt sie denn? Wie auch immer: Wenn sie das ahnt, was wir leider ahnen müssen, dass sie es ahnt, dann ahnen wir schon, dass sie sich in Ahnungslosigkeit flüchten wird.
P.S: - Und wenn wir alle in komfortabler Ahnungslosigkeit, weitab von sekundenklebenden Klimawissenschaftlerinnen schweben, dann können wir uns freuen, dass unser Bundesratsmenu um eine währschafte Berner-Röschti bereichert wird. Eine ideale Ergänzung für die St. Galler Bratwurst und den Freiburger Vacherin, samt Parmesan und Cassis de Dijon. La cheffe de cuisine steht bereits erwartungsvoll Amherd.
Ch.B. 02.11.2022

Musik durchdringt alle «Gartenzäune»:
Das Streben nach klar abgrenzbarer Reinheit steht aus meiner Sicht im Widerspruch zu jedem lebendigen Kulturverständnis. Jede Kultur hat sich von Anfang an auch aus Elementen anderer Kulturen entwickelt. Worauf es in der Debatte um die «kulturelle Aneignung» ankommt, ist meines Erachtens nicht das Befolgen irgendeines Verhaltenskodexes, sondern vielmehr der Grundsatz, dass alle Kulturen in ihrem Bestand und Wandel wertgeschätzt und respektiert werden, insbesondere auch in ihrem inspirierenden Einfluss auf andere Kulturen. Einer Kultur, die sich als Ausdruck einer unterdrückten Volksgruppe entwickelt hat, hilft es gar nichts, wenn es anderen «Kulturen» verboten wird, Elemente ihrer Kultur aufzunehmen und so neue Ausdrucksformen hervorzubringen. Mit dem Anbringen von «Gartenzäunen» um bestimmte Kulturformen wird nicht der Respekt gefördert, sondern die Ghettoisierung und der ethnische Reinheitskult (ein Phänomen, das vor allem in Ideologien am rechten Rand auftritt). Gerade für die politische Linke ist es elementar, dass verschiedene kulturelle Ausdrucksformen sich miteinander verbinden und weiterentwickeln können. Im Kampf gegen Unterdrückung, Kommerzialisierung und Machtmissbrauch hilft kleinkariertes «Gartenhägli»-Denken überhaupt nicht weiter. Solange europäische Musiker/innen mit Rasta-Frisuren und afrokaribischem Musikstil mit dem gebührenden Respekt vor der anderen Kultur auftreten (und dies auch offen so aussprechen) ist dagegen aus dem Gesichtspunkt von Befreiung und Menschenwürde nicht im Geringsten etwas einzuwenden. Rigides kulturelles Abgrenzungsdenken ist das Gegenteil von Emanzipation. Worauf es ankommt, ist der offene Geist und die Respektierung der kulturellen Vielfalt. Mit kleinkrämerischer Korrektheitsprogrammatik führt sich die Linke (wie seinerzeit schon bei den dogmatischen K-Splittergruppen in den 70-er Jahren) ad absurdum und liefert der rechtslastig-autoritären Propaganda nur unnötige Steilpässe zur billigen Diffamierung all’ jener, die sich für die Menschenrechte und mehr soziale Gerechtigkeit einsetzen. Zur Befreiung aus den bestehenden vielschichtigen Formen von Knechtschaft (auch im Bereich Kultur-Kommerz) braucht es nicht neue kulturelle Einzäunungen, sondern in mentaler Hinsicht vor allem einmal genügend Luft zum Atmen – für alle.
Ch.B. 15.08.2022

Tarnkappsturz-Gefahr in der Verteidgenossenschaft
Mit so einem Tarnkappen-Kampfjet kann man, so wird erzählt, praktisch unerkannt Angriffsflüge ins Feindesland starten. Das begeistert alle Sandkastenkrieger landauf landab. Das Dumme ist nur, dass wir an unseren Grenzen gar kein Feindesland haben. Wir – genauer gesagt, unsere coolen «Cockpit-Frontmen» - müssten also mit unseren Tarnkappen-Bombern ziemlich lange über Freundesland brettern, bis wir dann endlich, je nach politischer Einschätzung, in einem F-35 -kompatiblen feindlichen Luftraum ankämen. Wir müssten «aerotechnisch» sozusagen der NATO beitreten, damit wir den F-35 in einem allfälligen Kriegsfall seiner Bestimmung gemäss einsetzen könnten. Aber wenn man über ein derart tolles technologisches Spitzenprodukt verfügt, erfüllt einen dies doch immerhin mit Besitzerstolz, auch wenn man dieses Superteil zur allfälligen Verteidigung eigentlich gar nicht so recht verwenden kann. Und überhaupt: das Tarnkappenprinzip hat ja auch im ganz normalen unkriegerischen Alltag seine überzeugenden Vorteile. Bei bundeshausinterner Wirkung dieses Prinzips ist es z.B. ohne weiteres möglich, dass der Bundesrat mit Frankreich geheime Gespräche über den Kampfjet «Rafale» führt, ohne dass die direkt betroffene Verteidigungsministerin etwas davon weiss (bzw. wissen zu können meint). Überhaupt ist die ganze «Verteidgenossenschaft» ja so gross und unübersichtlich, dass man/frau ohne kommunikativen Tarnkappenmodus effizienzmässig nirgends mehr hinkommt, was nun dazu führt, dass in einem ersten Innovationsschritt alle Espresso-Automaten des Bundeshauses demnächst generell auf Tarnkapseln umgerüstet werden. Auch der vielgerühmte Fixpreis des Kampfjet-Fighters F-35 ist da, wie die übereifrige «vermaledeitgenössische» Finanzkontrolle dummerweise herausgefunden hat, womöglich nur eine Art von Tarnung. Wie fix dieser Fixpreis nun effektiv ist, und wie exorbitant zudem die Betriebskosten mutmasslich ausfallen dürften, ist ebenfalls strengstens tarngekappt. Perfekt getarnt sind ebenfalls die digitalen Software-Zugriffsmöglichkeiten der USA auf die Kampfjets, insbesondere dann, wenn diese sich in der endlosen Tundra des Glarnerlands gerade in einem verdeckten «Glarnkappen-soft-war» befinden. Dass die Finanzkontrolle ihre Aufgabe derart wörtlich nimmt und so den ganzen «Tarnkappitalismus» enttarnt, ist für viele gestandene «Fightgenossen» aus dem «Kampf-Jetset» äusserst ärgerlich. Wie soll man denn mit Lockheed ins Geschäft kommen, wenn jeder hergelaufene Finanzprüfer das Leck im Lockpreisangebot in die Öffentlichkeit posaunt? Da hat der Schaffhauser Kampfjet-Aficionado Thomas «Hunter» ganz recht, wenn er diese übereifrige Finanzkontrolle in eine harmlose private Consultingfirma verwandeln will, zumal der jetzige Chef dieser Behörde in jungen Jahren sogar ein Anarchist gewesen sein soll. «Wokämenwirdahin», wenn unsere Tarnkappenfinanzen gnadenlos von leibhaftigen tarn-verkappten Anarchisten durchleuchtet würden? Auf der anderen Seite könnte natürlich etwas anarchistisches Know-how der Schweizer Armee durchaus helfen, die undurchsichtige Software-Durchgriffsmöglichkeit der USA tarn-zu-kappen, wenn wir schon so viel Tarnkapital für diese Star-Wars-Maschinen hinblättern müssen. Sonst können die «Amis» unseren Kampfjet - durch Doppelklick von Maryland aus - mitten in seinem Tarnkampf mit unsichtbaren Windmühlen über dem Emmental einfach so mir nichts dir nichts zum Napfsturz bringen…
Ch.Brassel, 18.7.2022

Russische Oligarchendämmerung in der Winnerschweiz:
Nach Pressemeldungen werden etwa 80% des russischen Rohstoffhandels über die Schweiz abgewickelt. Einer der «verheizungsvollsten» Schwerpunkte dieses Handels (u.a. dank Gazprom) ist Zug, und zwar, ohne dass diese Rohstoffe in ihrer Rohheit jemals mit Zuger Boden in Berührung kommen. Ganz im Gegensatz zu den Geldflüssen. Hochspezialisierte Banken und Finanzdienstleister stehen für diesen «commodity trade» jederzeit zur Verfügung. Und wenn dann das Geschäft mit den Rohstoffen so richtig läuft wie geschmiert, sind alle «Trader» froh. Eigentlich sollten die Rohstoffe deshalb «Frohstoffe» heissen; denn die Roheit gegen Mensch und Natur, die mit ihrer Gewinnung einhergeht, ist in den Zuger Konzernzentralen nirgendwo mehr zu sehen. Sichtbar ist nur noch die «Frohheit» der Oligarchen, besonders dann, wenn sie ihre Gewinne so verschieben können, dass sie diese fast «oligarnichtmehr» versteuern müssen. Dazu verfügen die «Frohligarchen» über ein globales Netz von Transparenzvermeidungsjuristen, welche die Firmenverschachtelungs- und Geschäftsabwicklungsstrukturen so hochkomplex organisieren, dass das Ganze – wenn überhaupt – nur noch von ebendiesen Komplifizierungsjuristen selbst durchschaut werden kann. Nebst einer Law-Industry brauchen die Oligarchen aber auch versierte Lobbyist/innen, auf dem politischen Parkett, welche dafür sorgen, dass die kunstvoll-effiziente Intransparenz der lukrativen Vorgänge erhalten bleibt. Am undurchschaubarsten muss jedoch immer jene dunkle Geschichte bleiben, wie die betreffenden Oligarchen so plötzlich zu ihrem unermesslichen Reichtum gekommen sind. Diese nebulösen Vorgänge fanden im Falle der russischen Oligarchen meist in jener Zeit statt, in welcher es nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion vorübergehend gar keine Politik (und keine Justiz) mehr gab, sondern nur noch so eine Art «Olitik», bei der einige Parteifunktionäre die Gelegenheit beim Schopf packten und sich damaliges Staatseigentum eiskalt unter den Nagel rissen. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Reichtum eines russischen Oligarchen ursprünglich durch schummerige Machenschaften entstanden ist, muss deshalb als relativ hoch eingestuft werden. Als dann nach der Phase der «Olitik» wieder die Politik Einzug hielt, war die initiale «Schnäppchenjagd» schon abgeschlossen, und die Oligarchen konnten ihre Beute ungestört als legale Businessmen unternehmerisch umsetzen, vorausgesetzt, sie akzeptierten die Oberherrschaft des höchsten Oligarchen im Kreml. Sie (bzw. ihre Nachkommen) sind nun sozusagen von einfachen Parteifunktionären zur «Krèml de la Krèml» Russlands aufgestiegen, befinden sich jedoch wegen ihrer russischen Konzerne machtstrategisch in Geiselhaft des neo-grossrussischen Zaren. Doch im Zuge der aktuellen Sanktionen gegen das Putin-Regime sind die Vermögenswerte der Wekselbergs, der Timtschenkos, Melnitschenkos, Abramowitsch’s, der Potamins und Kerimows auch in der Schweiz - und sogar auch in Zug - nicht mehr sicher vor dem eiskalten Zugriff der Behörden, auch dann nicht, wenn diese «Oiligarchen, Gasogarchen und Metallogarchen» in Zug einflussreiche Bezugspersonen haben. Auch in Zug stehen die Kühlfahrzeuge bereit, um die mit Sanktionen belegten Oligarchenkonten einzufrieren. Aber der Zuger Regierungsrat meinte kürzlich, Zug sei jetzt noch gar nicht am Zug, am Zug sei vielmehr der Bund, während der Bund meinte, nicht er, sondern Zug sei jetzt im Zugzwang. Auf diese Weise geraten die Sanktionen dann halt sowohl bundesweit wie auch in Zug in Verzug oder verlaufen sich gar - bei soviel Verzügerung - irgendwo im Sandstrand des schönen Zugersees. Immerhin werden die Sanktionen im Mittelmeerraum zügiger umgesetzt als in Zug: Da wird von Triest bis Mallorca eine «Oligarche-Noah» nach der anderen polizeilich beschlagnahmt. Die Jagd nach Yachten bietet natürlich auch mehr Spass und Spektakel als das staubtrockene Einfrieren von Konten. Inzwischen haben dann die Oligarchen genügend Zeit gehabt, einige ihrer Kontoguthaben von Zug anderswohin zu «zügeln». So schenkfreudig sind da die Melnitschenkos und die Timtschenkos nun auch wieder nicht. Auch der flotte Abrahmowitsch ist sicher froh, wenn er noch etwas Wekselgeld ins Trockene bringen kann. Viele putionphile Oligarchen werden durch die Sanktionen zu «Schmolligarchen». Auch Kerimow ist derzeit «very moff», ebenso Potamin, «potaminomol!» Doch auch in Zug kommt nun der Sanktionszug langsam in Fahrt, einen «Reputinationsschaden» will man auf keinen Fall riskieren. Dass die Sanktionen den Rohstoffhandel bisher nicht direkt betreffen, wohl aber die in diesem Sektor tätigen russischen Oligarchen, macht die Sache einigermassen kompliziert. Zusätzliche Verwirrung ergibt sich auch daraus, dass die Oligarchen für ihre Transaktionen meist Strohmänner, sogenannte «Strohmanows», vorschieben. «Ja, diese Sanktionen sind ja schon recht, aber angesichts ihrer heillosen Komplexität muss man - aus zugerischer Sicht - bei ihrer Umsetzung nun auch nicht gerade übertreiben, sonst geht «amend» noch der ganze Finanzplatz zug-runde…, und die ganze «verheizungsvolle» Zug-kunft geht baden…im Ärgerisee…»
Christof Brassel, 18.4.2022

Die wundersame Verwandlung von Schweigen in Zustimmung / Sieben Thesen zur Revision des Transplantationsgesetzes:

Die Vorstellung, dass das Hirn neben seiner zentralen Funktion als Denk- und Steuerungsorgan auch das einzige massgeblich empfindende und fühlende Organ des Menschen sein soll, entspricht nicht mehr dem neuesten Stand der Wissenschaft. Ebenso veraltet ist die mechanistische Auffassung, das menschliche Herz sei bloss eine Art Pumpe. Angesichts der komplexen Wechselwirkungen im menschlichen Organismus erfolgt das Sterben eines Menschen im Allgemeinen nicht «schlagartig», sondern verläuft vielmehr in einem längeren Sterbeprozess, der mit dem sogenannten «Hirntod» noch keineswegs abgeschlossen ist.

Niemand weiss, wie das Sterben und der Tod aus subjektiver Perspektive des/der Sterbenden aussieht, insbesondere auch in der Phase nach einem sogenannten «Hirntod».

Da wir dies nicht wissen, und da wir auch nicht ausschliessen können, dass Organentnahmen vom sterbenden «hirntoten» Menschen, trotz starker Narkose, als finales Trauma «erlebt» werden, darf eine Organentnahme von «Hirntoten» nur dann zulässig sein, wenn die Zustimmung seitens der Spenderperson unzweifelhaft klar und eindeutig vorliegt.

Eine gesetzliche Vermutung nach dem ohnehin problematischen Muster «wer schweigt, stimmt zu» kann für einen derart – im wörtlichen Sinne -«einschneidenden» Eingriff niemals die Eindeutigkeitserfordernisse einer echten Zustimmung erfüllen. Auch dann nicht, wenn die situationsbedingt geschockten Angehörigen auf Anfrage hin ihrerseits keinen Widerspruch äussern.

Jeder Mensch hat das Recht auf ein möglichst würdevolles Sterben. Auch in Todesnähe darf er nicht zu einem blossen Mittel zu einem angeblich höheren (altruistischen) Zweck degradiert werden. Ein Mangel an Spenderorganen ist kein legitimer Grund, bei Personen, die sich zur Organspende nicht geäussert haben, die Zugriffsschwelle zur «nach-hirntodlichen» Organentnahme zu senken.

Aufgabe des Gesetzes ist es, sicherzustellen, dass Organspenden ausschliesslich und unzweifelhaft freiwillig erfolgen. Diese Aufgabe erfüllt der neue Gesetzestext leider nicht mehr. Er verstösst in diesem Sinne gegen das verfassungsmässige Recht auf körperliche Unversehrtheit und auf Selbstbestimmung.

Als Verfasser dieser Thesen bin ich keineswegs ein Gegner der Organspende, wenn diese klar und eindeutig vom Spender deklariert ist. Ich bin allerdings davon überzeugt, dass eine menschliche Medizin nicht nach dem Prinzip «alles ist machbar» funktionieren kann, und dass das Sterben mit zum Leben gehört. Wenn ich deshalb kein nachtodlicher Organspender bin, ist für mich ebenso klar, dass ich nie ein Spenderorgan in Anspruch nehmen will. Ich hoffe, dass ich diese Konsequenz durchhalte, wenn `s draufankommt.
Christof Brassel, 26.04.2022

P.S.: Die Verwendung dieses Textes in serienmässiger Abstimmungswerbung ist nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Autors zulässig.

«Der Sprachlosigkeit eine Stimme geben»
Für einen Schreiber, der normalerweise satirische Texte verfasst, ist es schwierig, den brutalen Aggressionskrieg des Putin-Regimes gegen die Ukraine angemessen zu kommentieren. Obwohl mir zahlreiche Gewaltexzesse dieses Despoten bekannt waren, wollte ich doch nicht so ganz glauben, dass dieser vermeintlich rational kalkulierende Machtstratege zu einem derart blutigen Überfall schreiten werde. Dass dieser Krieg nun Realität ist, macht mich, wie viele andere, zunächst sprachlos. Auch die Ironie ist mir erst einmal abhandengekommen. Mein Reflexionsbeitrag zum derzeitigen Geschehen kann deshalb – zumindest im jetzigen Zeitpunkt - kein satirischer Text sein. Wir sind sprachlos angesichts des offensichtlichen Bombenterrors gegen die Zivilbevölkerung in Mariupol und in anderen ukrainischen Städten. Doch gerade, weil wir zunächst sprachlos sind, ist es wichtig, lautstark und mit deutlicher Sprache unsere Stimme gegen all’ jene Untaten zu erheben, die uns immer wieder sprachlos machen. Die Kriegsgurgeln im Kreml wollen ja gerade, dass alle sprachlos bleiben, die nicht ihre amtliche Propagandasprache sprechen. Die Sprachdemontage geht soweit, dass der Krieg nicht einmal mehr Krieg genannt werden darf. Wer dieses Wort dennoch ausspricht, wird festgenommen. Mehr als 15'000 Russinnen und Russen sind bisher wegen Antikriegsprotesten verhaftet worden. Alle Menschen, die in Russland mit hohem persönlichem Risiko gegen den Krieg auf die Strasse gehen, verdienen unseren grössten Respekt. Ganz besonders eindrücklich ist hier die Geschichte jener Frau in Nischni Nowgorod, die sich mit einem völlig leeren weissen Plakat auf einen Platz im Stadtzentrum gestellt hat. Die Botschaft dieses unbeschriebenen weissen Plakats ging den Behörden offenbar schon zu weit, sodass die Frau unverzüglich von zwei Polizisten abgeführt wurde. Je nach Kontext kann Sprachlosigkeit offenbar eine ausgesprochen deutliche Sprache sprechen. Vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Ereignisse ist in Russland jede und jeder in der Lage, die wortlose Aussage auf dem leeren weissen Plakat zu lesen. Das, was es hier zu sagen gibt, ist derart offensichtlich, dass es gar nicht nötig ist, es mit Worten auszusprechen. Gerade diejenigen, die bestreiten, dass das Offensichtliche gewissermassen in der Luft liegt, bestätigen die Offensichtlichkeit dieser Botschaft ungewollt durch die Verhaftung der wortlosen Überbringerin. Bemerkenswert ist auch die Zeitungsmeldung über jenen Mann in Moskau, der sich mit dem Buch «Krieg und Frieden» von Tolstoi auf die Strasse gestellt hat und von der Polizei sofort festgenommen wurde. Offenbar fühlt sich der russische Staat nun auch von der klassischen russischen Literatur bedroht. Aber nicht nur die Ereignisse in Osteuropa machen mich sprachlos. Äusserst befremdlich wirken da auch jene westlichen Anhänger einer toxisch-autoritären Männlichkeit, welche bis vor kurzem noch Putin als urmännliche Führerfigur und als «gesundes» Gegenbild zum angeblich dekadenten Westen bewundert haben. Diese «Putin-Versteher/innen» von Trump über Berlusconi, Marine Le Pen, Köppel, Salvini und Orban, bis zum Fox-TV-Starmoderator Tucker Carlson, offenbaren mit ihren Putin-Sympathien vor allem eines: eine erschreckende Bewunderung autoritär-nationalistischer Regierungsformen. Besonders grotesk mutet an, dass zum Teil dieselben Republikaner, die sich eben noch mit Trump als «Putin-Versteher» hervorgetan haben, nun dem US-Präsidenten Joe Biden vorwerfen, er sei zu wenig hart gegenüber Putin. Zu hoffen ist, dass die vom «Modell Putin» inspirierte Demontage der demokratisch-rechtsstaatlichen Strukturen in Polen und Ungarn nun endlich ihre populistische Attraktivität verliert, und dass dort bald wieder demokratisch eingestellte Regierungen und Parlamente gewählt werden. Ausserdem ist zu hoffen, dass die demokratiefeindlichen Kräfte um Donald Trump in den USA nun definitiv an Boden verlieren. Zu allererst jedoch geht es darum, alles zu tun, was zu einem baldigen Ende dieses furchtbaren Krieges führt. Es ist zu hoffen, dass hier beherzte, kluge und beharrliche Verhandlungs- und Vermittlungsfachleute zum Zug kommen, die auch mit äusserst narzisstischen Persönlichkeiten umzugehen wissen und die fähig sind, auf die Empfindlichkeiten und legitimen Interessen beider Seiten konstruktiv einzugehen. - Spätestens nach Bekanntwerden der russischen Massaker an der ukrainischen Zivilbevölkerung fällt es allerdings schwer, in diesem Kriegszusammenhang noch irgendwelche legitime russische Interessen zu finden. - Auf jeden Fall ist die Forderung nach Frieden, oder zumindest nach einem Schweigen der Waffen, so gross und allgegenwärtig (früher oder später auch in Russland), dass kein Machthaber diese Forderung – auch wenn sie notfalls die Form eines leeren weissen Plakats annimmt – dauerhaft ignorieren kann.
Christof Brassel, 3.4.22

«Gaz no?»
Menschen, die sich heute in ethischer Hinsicht noch schämen können, sind mir irgendwie ganz spontan sympathisch. Es gibt jedoch Männer (ja, vorwiegend Männer) mit wuchtigem Karrierenhintergrund, welche die Fähigkeit, sich zu schämen, nahezu vollständig verloren haben. Ein solcher Protagonist, der «unter dem Schamlosigkeits-Syndrom leidet» ist zum Beispiel der frühere deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder. Nach einer ganzen Serie von hochbezahlten Lobbyistenjobs für Wladimir Putins Öl-und Gasindustrie, die er ausgeübt hat, platzt nun die Meldung herein, dass der Ex-Kanzler demnächst im Aufsichtsrat des russischen Staatskonzerns Gazprom Einsitz nehmen wird, was sicherlich auch finanziell eine Aufbesserung gegenüber seinen bisherigen jährlichen Bezügen von rund € 600'000.—beim Ölkonzern Rosneft bedeutet (und dies wohlverstanden zusätzlich zu seinem nach wie vor weiterlaufenden Ex-Kanzler-Ruhegehalt). Die Gründe, welche die Einreihung des niedersächsischen Gerhard in den Kreis der «Gaz-Promis» bedenklich machen, haben jedoch nicht nur mit einer unsensiblen Finanzaffinität zu tun, sondern vor allem auch mit einer schockierend distanzlosen Anbiederung an einen Diktator, der vor nichts zurückschreckt, wenn es um die Erhaltung und Vergrösserung seiner Macht geht. Der Ex-Kanzler wirft sich diesem «Putintaten» an den Hals, obwohl dieser zahlreiche Oppositionelle einkerkern lässt, und obwohl dieser die russischen Medien (auch mit staatlichen Übergriffen auf Medienschaffende) streng auf Einheitskurs trimmt, - obwohl er zudem das Regime des syrischen Folter-und-Giftgas-Diktators Assad militärisch rettet, - obwohl er (Putin) völkerrechtswidrig die Krim annektiert hat, - obwohl seine verdeckten Internet-Troll-Fabriken in den US-Wahlen 2016 massiv zugunsten des rechtsextremen Donald Trump agitierten, - und obwohl der russische Geheimdienst auf der ganzen Welt immer wieder mal ihm nicht genehme Personen ins Jenseits befördern lässt. - Es geht hier nicht darum, gegenüber einem Ex-Politiker eines demokratischen Rechtsstaates übertrieben hohe moralische Ansprüche zu stellen. Bis zu einem gewissen Grad sind seine ethischen Standards Privatsache. Eine solche Zurückhaltung ist jedoch fehl am Platz, wenn dieser westeuropäische Ex-Politiker, wie hier, dienstfertig um einen wirklich skrupellosen Despoten «herumschrödert und – scharwenzelt». Ich bin als Schweizerbürger natürlich nicht Mitglied der deutschen SPD, aber als schweizerisches SP-Mitglied kann ich mich eines Anflugs von Fremdscham für die SPD wegen der «Distanzlosigkeiten» ihres «ollen» Gerhard nicht erwehren. Dieser «Schreddermann» «schreddert» im Gefolge seiner lukrativen «Männerfreundschaft» bald einmal weite Teile unserer sozialen und demokratischen Grundsätze. - Einfach zu schweigen angesichts dieser unseligen «Oligarchenkumpanei», das geht nicht. Ebensowenig ist hier ein grosses sozialdemokratisches Selbstzerfleischungsritual angesagt. Im Sinne einer paradoxen Intervention könnte die SPD jedoch ihrem «Immer-noch-Mitglied» zu seinem neuen Karriereschritt einen Gutschein für ein fachkundig geleitetes Manager-Grenzerfahrungsseminar schenken, in welchem Betroffene des «Schamlosigkeitssyndroms» in einem geschützten Rahmen Schritt für Schritt wieder lernen können, wie man sich schämt … (inkl. Nachfolgekurs über die faszinierenden neuen Verhaltensoptionen, die sich aus dieser Scham heraus eröffnen).
Ch. Brassel 14.2.22

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